Page 105 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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diese Völker, besonders die in Afrika, ja tat-      verpönt, genauso wie das Rauchen.
            sächlich nicht so weit, und darum sollte man
            sie dann auch so einstufen. Vielen Negern geht      Das Essen war damals in Verpflegungsstufen
            es ja heute viel schlechter als damals unter der    aufgeteilt. Es gab vier verschiedene Stufen: die
            Kolonialherrschaft.                                 Truppen an der Front bekamen Stufe 1, wir
                                                                HJ-Führer in der Walkemühle bekamen Stufe 2,
            Jeden Morgen nach dem Wecken wurde die              das hieß, die Verpflegung war gut und aus-
            Hakenkreuzfahne gehisst, eine Flaggenparade         reichend, viel Pellkartoffeln und Fleisch.
            sozusagen, und dann begann der Dienst, in
            Uniform natürlich. Es wurde zusammen ge-            Zehn Uhr abends mussten sämtliche Lichter aus
            frühstückt.   Der    Führer    vom     Dienst       sein. Da mussten alle in ihren Betten liegen. Bis
            rief: ,Achtung!’, dann  standen alle auf, und       dahin musste man auch sein Referat für den
            einer sagte dann: ,Melde Ihnen, Lehrgang so-        nächsten Tag vorbereitet haben, wenn man
            wieso zum Frühstück angetreten.’                    dran    war.    Bei   uns    gab    es    nur
                                                                Fünf-Minuten-Referate. Es wurde großer Wert
            Diskutiert wurde wenig, das muss man schon          darauf gelegt, nicht in großem Umfang da-
            sagen, es wurde erklärt aus der Sicht des           herzureden, sondern alles Wesentliche in we-
            Vorgesetzten. Es wurde auch - ohne dass man         nigen kurzen Sätzen zusammenzufassen.
            sagen könnte, man hätte Angst gehabt, etwas
            anderes zu sagen - nie etwas anderes gesagt,        Ich musste mal ein Referat halten über den
            als das, was der Schulführer gesagt hatte. Seine    Marsch zur Feldherrnhalle.
            Rede war derart dogmatisch und versetzte uns
            Jugendliche in eine derartige Begeisterung,         Wir Deutsche sind ja ein Volk, das immer von
            dass überhaupt niemand darauf kam, etwas            einem Extrem ins andere fällt. So unmöglich
            anderes zu sagen.                                   der Zwang damals war, heute ist zuviel De-
                                                                mokratie, wenn man so denkt, was sich in den
            Wenn der Unterricht vorbei war, wurde ei-           Städten abspielt. Es ist kein Wunder, wenn
            gentlich fast nie mehr davon gesprochen. Da         heute viele nach einem kleineren Hitler rufen.”
            wurde sich mehr über andere Sachen unter-           (Jakob Wiegand, Langenstein)
            halten, z.B.  über die militärische Ausbildung,
            über die Schießleistungen
            und wie man die verbessern
            konnte; oder es wurde über
            Sport geredet und über die
            Leistungen dort - jeden Tag
            wurde    ja  zwei  Stunden
            Sport getrieben.

            Ein Kurs dauerte neun Wo-
            chen. Es gab am Tag 45 Pfg.
            Taschengeld bei voller Un-
            terkunft und Verpflegung.
            Das war gar nicht so wenig
            Geld damals, 1943. Eine
            Kinokarte   in   Melsungen
            kostete etwa 25 Pfg. - man
            ist ab und zu in Melsungen
            ins Kino gegangen. Man
            hatte ja etwas Zeit, um fünf
            Uhr war ja Dienstschluss.

            Manchmal ging man auch
            ins Dorf Adelshausen, in die
            Gaststätte. Da hat man
            eine   Flasche  Traubensaft
            getrunken.    Alkohol  war


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