Page 23 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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zung des Bundes und der dort zum Ausdruck Wie man auf die Walke-
kommenden Absicht, andere politischen Or-
ganisationen als Rekrutierungsfeld für eine ei- mühle kam
gene Parteigründung zu benutzen.
Erste Geschichte
Die Arbeit des IJB hatte diese alte Satzung je-
doch schon lange überholt. Der IJB legte - Von einem 1924 in Göttingen arbeitslos ge-
auch als Antwort auf die Angriffe - eine neue wordenen Jugendlichen - eine Gänseleber-
Satzung vor, die als obligatorisch für pastetenfabrik hatte aus Mangel an Rohstoffen
IJB-Mitglieder die Mitgliedschaft in der SPD zugemacht, und da sein Bruder aktiver Ge-
vorschrieb. Dies wurde jedoch von der werkschaftler war, wollte ihn niemand mehr
SPD-Leitung ignoriert. Bei der letzten Eini- anstellen:
gungsmöglichkeit manipulierte der Parteivor-
stand die Versammlung so, dass Nelson - in “Ich geriet 1924 durch meinen Bruder in Göt-
seinem Wahrheitsempfinden tief verletzt - mit tingen in den Internationalen Jugendbund;
allen anderen IJB-Mitgliedern den Raum verließ. mein Bruder gehörte demselben schon an. Das
In Abwesenheit des IJB wurde dann die Un- war nicht so, als wenn man einem Verein bei-
vereinbarkeit der Doppelmitgliedschaft von tritt. Ich wurde zuerst in so einen äußeren Kreis
IJB-Mitgliedern in sozialdemokratischen Orga- eingeladen, gelegentlich, Mittwoch nach-
nisationen beschlossen. mittags, auch manchmal abends, nahm ich
an Aussprachen teil, die in Form von Arbeits-
Ähnlich misstrauisch den Aktivitäten der IJB-ler gemeinschaften nach der sokratischen Me-
gegenüber hatte schon 1922 die Jugendor- thode gehalten wurden. Der Leiter war meist
ganisation der KPD, die KJ, den Beschluss ge- Willi Eichler. Daneben war ich auch noch bei
fasst, dass Mitglieder der KJD (Kommunistische den Jungsozialisten, die damals ein Diskutier-
Jugend Deutschlands) nicht gleichzeitig Mit- klub für junge Mitglieder in der SPD waren.
glieder des IJB sein können. (32)
Durch diese Veranstaltungen geriet ich also in
Der Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD stand den IJB und wurde eines Tages gefragt, ob ich
weithin im Gegensatz zu den Auffassungen an für eine Zeit von drei oder vier Jahren auf die
der Parteibasis, denn die Ortsgruppen wollten Walkemühle wollte. Da ich Interesse besaß,
auf die aktiven IJB-ler nicht verzichten und wurde ich nun gebeten, Leonard Nelson in
stimmten auch in der Tagespolitik oft mit ihnen seiner Wohnung im Nikolausberger Weg in
überein. Göttingen aufzusuchen. Der wohnte da im
Dachgeschoss eines Professorenhauses, ein
Man hätte nun den IJB auflösen und als Ein- paar kleine Stübchen und Kämmerlein, ziem-
zelpersonen weiter in der SPD mitarbeiten lich einfach alles, und er hat sich dann eine
können, aber der Erfolg der letzten Jahre Stunde mit mir unterhalten. Man legte damals
machte Mut, eine eigene Organisation zu nicht so viel Wert darauf, Leute in die Walke-
gründen, den “Internationalen Sozialistischen mühle zu kriegen, die bereits in irgendwelchen
Kampfbund” (ISK), welcher die politische Arbeit anderen Jugendorganisationen, z.B. bei den
jetzt noch enger allein an den eigenen Über- Kommunisten, mit Marxismus schon geschult
zeugungen ausrichtete. worden waren. Man legte dagegen beson-
deren Wert darauf, nach der Walkemühle
junge Arbeiter und Arbeiterinnen zu bekom-
men. Wahrscheinlich deshalb, weil Nelson bei
seinen Versuchen mit Intellektuellen bisher
immer enttäuscht worden war.
So kam ich Anfang 1925 in die Walkemühle,
wahrscheinlich als einer der ersten, denn alles
war noch so im Anfang, dass vordem von ei-
nem geregelten Schulbetrieb wohl noch nicht
gesprochen werden konnte.” (Helmut
Schmalz)
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