Page 28 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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1928. Wie ich von denen gehört habe, die            Freund der Walkemühle, der sich in London
            später auf der Walkemühle waren, ist vieles,        aufhielt, und von dem er etwas über die Sache
            vieles gelockert worden, vieles anders gesehen      erfuhr.
            worden. Ich kann jetzt nicht im einzelnen sa-
            gen was, aber so streng war es nicht mehr. Das      Dieser Freund spürte das rege Interesse und die
            ist  bewusst  von Minnas Seite aus gemacht          potentiellen Fähigkeiten des ungelenken jun-
            worden, und sie hat mal gesagt im ganz              gen Mannes, der sich nicht am Tanzen betei-
            kleinen Kreis: ,Ich hätte ja vieles anders ge-      ligte, aber sehr daran interessiert war, über
            macht. Da es ein Experiment war, bin ich den        Ideen zu diskutieren.
            Methoden Nelsons gefolgt. Ich wollte ihm
            zeigen, ob es so geht oder so nicht geht.’          Allan entschied sich dafür, den Sprung zu
                                                                wagen. (35)
            Und dann hat sie doch im Laufe der Jahre
            erkannt, dass es so nicht geht, und hat revidiert,
            mit den Kindern wie mit den Erwachsenen.
            Auch die vorher sehr spartanische Ernährung
            wurde viel besser, die sehr, sehr einfache Er-
            nährung gab es nicht nur aus finanziellen,
            sondern auch aus erzieherischen Gründen.”


            Fünfte Geschichte

            Ein Helfer:

            “Ich war bis dahin Volksschüler und hatte
            eine abgeschlossene Lehre als Maschinen-
            schlosser. Ich wollte in der Walkemühle noch
            die Mittlere Reife nachmachen, und Minna
            Specht hatte mir damals versprochen: ,Wenn
            deine Zeit herum ist,’ -  wir Halbschüler  -  ich
            habe noch als Helfer in der Schlosserei ge-
            arbeitet  -  mussten nach drei Jahren wieder
            raus aus der Walkemühle, da kam ein an-
            derer herein  -  ,wenn deine Zeit herum ist,
            dann schicken wir dich auf Kosten der GFA
            nach Ilmenau auf die Ingenieurschule.’

            So wäre mein Lebenswunsch in Erfüllung
            gegangen, wenn die Nazis nicht gekommen
            wären.” (Willi Warnke)

                                                                     “Du bist ein Gast wie ich”   (Inschrift)


            Sechste Geschichte
                                                                Siebte und letzte Geschichte
            Über einen Schüler aus England:
                                                                Ein Helfer:
            “Allan wohnte in London und hatte geradeerst
            die Schule verlassen. Er kam aus einem Milieu,      “1927 fand der erste Jugendkurs des ISK in der
            das arm war an Anregungen, und war von              Walkemühle statt. Da bin ich dorthin ge-
            einer tiefen, wenn auch vagen Sehnsucht nach        kommen. Der Kurs sollte vierzehn Tage dauern.
            einem intellektuell befriedigenden Leben erfüllt,   Ich hatte gerade ausgelernt, bekam aber nur
            in dem er dem Sozialismus dienen wollte. Auf        ein paar Tage Urlaub, und die Arbeitslosigkeit
            einem geselligen Beisammensein der rationa-         war 1927 so groß, dass ich nicht wusste: Behalte
            listischen Bewegung traf er zufällig einen          ich meine Arbeitsstelle oder nicht? Von dem

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