Page 25 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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kemühle werden, was mich kolossal faszinierte. dumm. Sie war Leiterin in diesem Erziehungs-
So etwas wird einem ja nicht alle Tage gebo- kurs; der bestand nur aus fünf Leuten, die alle
ten. sprachen, mir machte das aber keinen großen
Eindruck. Ich wollte nicht! Und dann sagte
An der Universität hatte ich bis dahin promo- Minna plötzlich: ,So, entweder du sagst jetzt
viert in theoretischer Physik bei Max Born, der was zu der Sache, oder du verlässt den Raum!’
auch mit Nelson befreundet war. Ich war dann Ich habe den Raum verlassen, dann bin ich
noch einige Zeit an der Universität geblieben runter in die Küche und habe vor lauter Freude
und hatte einige Probleme der Physik weiter- die Topfdeckel zusammengeklopft und habe
verfolgt, hatte aber die Absicht, Staatsexamen gedacht: ,Das bin ich los! Das bin ich los!’
zu machen.”
(Gustav Heckmann) Ja, und später, nachdem ich dann in Göttin-
gen ins Leben wieder hineinkam, nachdem ich
die Walkemühle wieder verlassen hatte, da
habe ich mich freiwillig entschlossen. Nach-
Dritte Geschichte: dem mir ganz klar war, was ich vor mir hatte.
Eine junge Frau Ich fand das auch nicht ganz richtig von Minna,
einen mehr oder weniger hineinzudrücken,
“Ich hatte einen inneren Widerstand, weil ich denn sie musste ja den Widerstand von mir
noch nicht wusste, ich war mir noch nicht si- gemerkt haben. Ich hatte auch schon mal zu
cher, ob ich die Forderungen, die der ISK stellte, ihr gesagt: ,Ich weiß nicht, ob ich die Forde-
erfüllen kann, ob ich überhaupt schon über- rungen von Nelson je erfüllen kann.’ Minnas
sehen kann, was da alles auf mich zukommt. Antwort war da: ,Du kannst nicht, also willst du
Und ich kannte mich, ich wusste, wenn ich nicht.’ Aber sie hat sehr mit mir gekämpft, um
mich mal entscheide, dann entscheide ich mich da eben doch hineinzubringen durch
mich, ich laufe nicht eines Tages wieder davon, Verstandesgründe.
und ich entscheide mich jetzt nur, weil man es
von mir wünscht, das ist nicht mein Lebensstil. Aber ich muss sagen, ich habe auch noch
nachher gekämpft, die zwei Jahre, die ich
Das hatte ich von meinem Vater, der sagte dann als ISK-Mitglied in der Walkemühle war,
immer: ,Du kannst machen, was du willst, aber waren hart, und ich bedaure nicht, dort ge-
überleg dir die Konsequenzen deines Handelns; wesen zu sein. Ich habe sehr profitiert. Erst
und wenn du es dann tust, nachdem du dir die einmal habe ich meine eigenen Kräfte messen
Konsequenzen überlegt hast, dann musst du müssen, besonders auch, da ich dort nicht alles
deine Suppe auslöffeln.’ Das war sein Grund- geschluckt habe, willensmäßig und auch ver-
prinzip der Erziehung, und das hatte auf mich standesmäßig. Minna hat das dann später
immer einen großen Einfluss. auch verstanden, die hat das sehr verstan-
den.” (Emmi Gleinig )
Ich habe mich immer gedrückt, von mir aus
habe ich überhaupt nie was dazu gesagt.
Eines Tages sagte Minna dann: ,Nun wird es Hinzufügung
aber Zeit, dass du dich entscheidest.’ Ich hatte
kein Argument mehr zu sagen: ,Nein’, und man Schüler, Lehrer und Helfer schildern die Härte
war auch noch nicht so weit, dass man die der Bedingungen, die man auf der Walke-
Argumente immer schon so zur Hand hatte. mühle antraf.
Das kam erst viel später, nachdem man die
Dinge übersah. Und so ging ich in den Kurs Eine Schülerin:
hinein, voller Widerstand. Das war ein Einfüh- “Es war oft nicht einfach. In der Walkemühle
rungskurs zur Mitgliedschaft im ISK in der Wal- mussten erwachsene Menschen unterschiedli-
kemühle. cher Lebenskreise und Bildung miteinander und
mit den Kindern auskommen. Kinder, er-
Und dann ging das los, über Philosophie, über wachsene Schüler, Lehrer und Helfer lebten ja
alle möglichen Probleme, die anstanden, und zusammen in einer Lebensgemeinschaft und
ich sagte nichts. Ich hatte irgendwie das Ge- teilten sich die täglichen Arbeiten wie zum
fühl: ,Ich sage nichts’, und ich sagte auch Beispiel auch den Abwasch in der Küche. Zuvor
nichts. Plötzlich wurde es dann Minna zu hatte jeder sein eigenes Zimmer, doch das war
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