Page 49 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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Die Leserkreisabende wurden erst in den letzten     mann  -  Hindenburg’ umzuwandeln in die Al-
            Jahren vor 1933 eingeführt. Immer war jedoch        ternative ,Arbeiterschaft  -  Bürgertum’, dann
            schon üblich gewesen, zu zweit oder zu dritt -      wird der Sieger aus diesem Rennen  der Fa-
            man wollte niemanden majorisieren, nur die          schismus sein.’ Das war immer das Ende meiner
            Argumente sollten zählen  -  in öffentliche Ver-    Rede.
            sammlungen der politischen Parteien zu ge-
            hen.                                                Wir in der Walkemühle hatten, wie viele im ISK,
                                                                damals schon ,Mein Kampf’ gelesen. Ich auch,
            “Da wurde dann schon geredet: ,Mensch, da           ich kannte das auswendig, wir wussten also,
            sind wieder ein paar von der Walkemühle             mit wem wir es zu tun hatten.” (Willi Warnke)
            gekommen, die sprechen gleich in der Diskus-
            sion.’ Manche waren darüber froh, andere
            haben regelrecht Angst gehabt.”
            (Willi Warnke)


            Ein anderer Schüler:

            “Die    Schule   hieß   damals    im    Volks-
            mund ,Kommunistenhecke’, viele mochten
            uns nicht besonders. Ich erinnere mich noch an
            eine Zeit, wo wir in viele öffentliche Ver-
            sammlungen gegangen sind. Damals ging es
            um einen Volksentscheid ,Panzerkreuzer oder
            Wohnungsbau’, glaube ich.  Da haben wir in
            der Umgebung von Melsungen gesprochen
            und gewirkt.” (Willi Schaper)


            Eine Schülerin:

            “In einer Nachbargemeinde von Melsungen ist
            auch   einmal   ein  Theaterstück  aufgeführt
            worden.   Es ging damals um das Konkordat
            und darum, den  Einfluss  der Kirche auf die
            Schule zu bekämpfen. Das machten wir zu-
            sammen mit dem Freidenkerverband für Feu-
            erbestattung.” (Grete Mayr-Eichenberg)


            Ein Schüler:

            “Meine letzten wichtigen Versammlungen, die
            ich besucht habe, waren die zur Wahl des
            Reichspräsidenten 1932. Die Arbeiter hatten
            sich angestrengt, einen gemeinsamen Kan-
            didaten aufzustellen, und es zeichnete sich ab,
            dass  es der Gewerkschaftler Müller werden
            sollte. Aber dann kippte die Sache um: Die
            Sozialdemokraten kamen und sprachen: ,Wir
            wählen Hindenburg.’

            Da bin ich im ganzen Kreis Melsungen so
            ziemlich hinter jeder Versammlung her gewe-
            sen und habe da gesprochen, und ich habe
            zum Schluss immer den Satz gebraucht: ,Wenn
            es nicht gelingt, die Alternative ,Hitler -  Thäl-

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