Page 50 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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Sicht von a ußen sungen vor dem Amtsgericht einen neuen
Vorstand bilden, und wir mussten die Garantie
Viele waren arbeitslos in Adelshausen, und die geben, dass da mindestens 52 % nationalistisch
Unterstützung war meist zu gering, um sich eingestellt waren. Unsere Satzung wurde dabei
davon auch nur satt essen zu können. So ent- auch geändert.
stand die Idee, durch ein Stück Land zu
Selbstversorgern zu werden. Im letzten Jahr (1975, R.G.) haben wir dann den
Siedlungsverein aufgelöst, es waren keine In-
teressenten für das Land mehr da. Ein Teil da-
Ein Einwohner aus Adelshausen erzählt: von haben jetzt Bauern gepachtet, den an-
deren Teil hat die Stadt Melsungen als Bauge-
“Durch das Bekanntwerden mit der Walke- lände vorgesehen.”(Johann Eckhardt)
mühle kam das bei uns in Gang. Wenn einer
was hatte, mit der Arbeitslosenversicherung
oder so, dann ging er zur Walkemühle. Das Ein anderer Dorfbewohner erinnert sich noch
waren ja ganz ganz hochgestellte Leute da, an die Walkemühle:
die konnten einem schon helfen. Und am
zweiten Weihnachtstag 1924 wurde dann von “Das waren ganz andere Menschen als wir, die
8-10 Mann in der Walkemühle der Siedlungs- stellten keine Mausefallen auf und machten
verein gegründet. Die anderen Arbeiten, die aus Öl und Kokosfett Schmalz. Manchmal,
dann nötig waren, das nun in die Tat umzu- machte man hier im Dorf eine Spinnstube, da
setzen, hat dann die Walkemühle übernom- sind sie hochgekommen.
men. Minna Specht, Ihlenfeld und Eichler und
wie sie alle hießen. Rechtsanwalt Lewinski hat Und bei dem Kuchen, der gebacken war,
uns beim Land Hessen unentgeltlich vertreten, haben sie immer gefragt, ob da tierische Fette
denn das Land, was wir gepachtet haben, drin sind. Die haben auch nie mitgetrunken,
gehörte zur Domäne, zu einem Staatsgut. aber die Abende waren immer sehr schön.
Alleine hätten wir es vielleicht gar nicht ge- Die halfen auch manchmal den Bauern. Wenn
schafft, denn die in Malsfeld haben das zu der jemand auf dem Feld war und hat gearbeitet:
Zeit auch versucht und haben keinen Erfolg Ohne dass der das gewollt hat, sind sie hin-
gehabt. gegangen und haben einfach geholfen. Geld
nahmen die dafür nie, für Geld haben die
Die vielen Arbeitslosen zu der Zeit bei uns w aren nichts gemacht.
froh, dass jeder ein Stückchen Land kriegte. Er
brauchte kein Geld mehr für das Essen aus- Einmal waren so viele Lehrer für vier Wochen zu
zugeben, er konnte Kartoffeln anbauen, er einem Kurs in der Walkemühle, dass sie dort
konnte ein Schwein schlachten, da hatte er nicht alle schlafen konnten, da wohnten dann
Milch - manche hatten auch zwei Kühe. Ins- welche im Dorf. Zwei hatten wir dann im Haus.
gesamt waren es siebzig Morgen, die von der Die hatten aber noch den Klassendünkel und
Domäne abgetrennt wurden. (4 Morgen = 1 ha, haben gar nicht verstanden, dass die aus der
R.G.) Walkemühle sich mit uns unterhalten haben.
Es heißt im § 1 der Satzung des Kleinpacht - und Bei Minna Spechts Tod vor ein paar Jahren, bin
Siedlungsvereins Adelshausen, ,...der den ich dann noch mit einigen Adelshäusern nach
Zweck hat, seinen Mitgliedern die Pachtung Bremen zur Beerdigung gefahren, die hatte
von fremden und eigenen Äckern und Wiesen nämlich viel für uns getan.” (Justus Eckhardt)
zu angemessenen Preisen zu vermitteln, sons-
tige gemeinnützige und soziale Bestrebungen
zu fördern, den Zusammenschluss und die Ei-
nigkeit seiner Mitglieder zu pflegen...’
Ganz andere Erinnerungen hatte ein Pfarrer
Die Minna Specht war die ganze Zeit mit im aus Dagobertshausen, einer Nachbarge-
Vorstand des Siedlungsvereins. 1933 musste sie meinde von Adelshausen. Er schrieb mir dazu
dann ausscheiden, jetzt mussten wir doch folgendes auf:
gleichgeschaltet werden. Wir mussten in Mel-
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