Page 64 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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Kleidung, Menschen zusammenkamen.” (Helmut
die auf der Walkemühle getragen wurde. Schmalz)
Es war natürlich der Einfluss der Jugendbe-
wegung deutlich sichtbar, doch in der Wal- Eine Schülerin:
kemühle wurde darüber hinaus die Kleidung
noch besonders schlicht und einfach gehalten “Wir trugen damals Reformkleider mit den
- um Geld zu sparen und um alle Kräfte auf die angesetzten Rücken, Goldreifen und Zöpfen -
Ausbildung konzentrieren zu können. in der Romantik blühen die Rosen.” (Emmi
Gleinig)
Eine Helferin berichtet dazu eine Episode: Doch in der Walkemühle trug man dann schon
keine Zöpfe mehr, dort wurden die Haare kurz
“Tolle hatte mal ein Kleid, auf dessen Rücken geschnitten.
eine lange Reihe Knöpfe herunterlief. Nelson
soll dazu mal gesagt haben: ,Was sollen denn
die vielen Knöpfe da, das ist doch wirklich Eine Schülerin:
unnötig, die Wirbelsäule so zu verzieren.’ Tolle
soll darauf sehr verärgert gewesen sein und “Unter den Erwachsenen auf der Walkemühle
gesagt haben: ,Wenn sie weggeschnitten war nur eine einzige, nämlich die Gärtnerin, die
werden, nähe ich sie wieder an’. ” (Hedwig trug einen langen, dicken Zopf und war nicht
Urbann) dazu zu kriegen, ihn abzuschneiden, wir haben
sie immer gefoppt. Wir anderen Frauen trugen
alle kurze Haare, wie sie dann auch in der
Ein Schüler über die Kleidung von 1925: Jugendbewegung aufkamen. Nicht so wie
Jungen, sondern hier und da einen Kamm
“Viele Klamotten hatten wir ja nicht. Im gesteckt, damit das ordentlich aussah, aber
Sommer gingen wir Jungen in kurzen Hosen, kurz im Nacken. Als Politiker haben wir uns
die waren aus stabilem Manchesterstoff und gedacht: Wir wollen auch keine lange Zeit
hielten unglaublich lange. Im Winter trug man verschwenden, uns zurechtzumachen. Alle drei,
das, was man damals Bridgeshosen nannte. vier Wochen kam ein Friseur, es wurde dann
Meine Mutter strickte mir dazu immer die aufgeschrieben, wer wollte, und immer hieß
Wadenstrümpfe. Oben trug man im Sommer es: ,Hilde, dich doch auch’, und gerade bei der
einen Fahrtenkittel, die gab es in verschiede- Gartenarbeit war das doch sehr unpraktisch.”
nen Farben, und die gingen über die Hose, (Grete Mayr-Eichenberg)
waren vorne zugeschnürt und besaßen um die
Taille eine Kordel. Dann hatten die Fahrtenkittel
einen Schillerkragen, das war die Erfindung der Einem Schüler fällt auch Minna Spechts Klei-
Freideutschen Jugend, vordem gab es das ja dung ein:
noch nicht, vordem hatte man ja noch den
Stehkragen, wie ihn Herr Schacht noch zwan- “Sie hatte so ein schönes Kleid, das nannten wir
zig Jahre später trug, bis ganz oben rauf und das ,Delfter Kleid’. Wenn wir irgendwo hin-
dann die Ecken umgelegt. Das wurde dann in gingen, sagten wir: ,Minna, zieh aber dein
der Jugendbewegung über Bord geworfen, Delfter Kleid an.’ Auch sonst war sie einen Tick
und diese Auflockerung der Kleidung fand feiner angezogen, als die anderen Mädchen.
großen Anklang und brachte der Wir trugen es ja betont einfach, und sie hatte ja
frei-deutschen Jugend viel Zulauf. Das wurde auch gelegentlich mit Behörden zu tun. Sie
aber nicht nur in den Jugendverbänden so hatte damals schon graue Haare, so im Her-
getragen, auch die Sozialistische Arbeiterju- renhaarschnitt geschnitten, natürlich gewellt,
gend ging so. das machte einen sehr guten Eindruck, ja, wir
waren alle ein klein bisschen verliebt in sie.”
Für feierliche Gelegenheiten hatte man dann (Helmut Schmalz)
einen schneeweißen Kittel, der besonders
peinlich gewaschen worden war, das sah sehr
gut aus. Die Mädchen trugen dann ihre langen Wie man sich in der Kleidung von dem, was
Kleider mit den Holzklunkern und Sandalen. sonst üblich war, unterschied, wurde in Ge-
Das war ein fröhliches Bild, wenn damals junge sprächen deutlich.
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