Page 30 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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manchmal gegen diese Methode. Wir verloren          Und vor allem brachte diese Maßnahme uns
            oft die Geduld.                                     Schülern zum Bewusstsein, dass  eine gerechte
                                                                und schöne Lebensweise nicht in einer bloßen
            Minna Specht   griff in unsere Auseinanderset-      Ausbildung des Geistes zu suchen ist, sondern in
            zungen lenkend ein mit ihrer tiefen Mensch-         der unermüdlichen praktischen Arbeit für die
            lichkeit und der Strenge ihrer Analyse. Sie zog     Zwecke,  die man einmal für richtig erkannt
            Parallelen: ,Die Änderung unserer Gesellschaft      hat.” (37)
            verlangt eine Organisation von hingebungs-
            vollen Kämpfern, frei von persönlichen Intrigen,
            aufgebaut    auf  vollkommenem     geistigem        Ein Lehrer berichtet vom ersten halben Jahr:
            Vertrauen. Wie könnt ihr euch für solch eine
            Aufgabe vorbereiten, wenn ihr nicht fähig seid,     “Ich habe mal im Sommer mit einer Gruppe
            miteinander zu arbeiten?’ ” (36)                    neuer Schüler zusammen in der Tischlerei an-
                                                                gefangen    Werkstattarbeit  unter  Hermann
                                                                Beermann. Nach einiger Zeit kam Physikunter-
            Ein anderer Schüler beschreibt seine erste Zeit     richt dazu -  es ging damals um unsere Was-
            auf der Walkemühle:                                 serversorgung, und abgeschlossen haben wir
                                                                diesen Sommer praktischer Arbeit mit drei-
            “Gleich am Anfang wird der Schüler in der           wöchiger Arbeit in der Wolfschen Seifenfabrik.”
            Walkemühle überrascht: Die Schularbeit be-          (Gustav Heckmann)
            ginnt nicht in der Studierstube: Zunächst musste
            jeder Schüler in meiner Gruppe etwa ein Vier-
            teljahr praktisch arbeiten. In der Schlosserei, in   Bei diesen praktischen Arbeiten lernten auch
            der Schreinerei und draußen, bei Uferbefesti-       die vielen Schüler, die aus dem Ausland kamen,
            gungen der Pfieffe war das erste Betätigungs-       ihr erstes Deutsch. Durch die Verständigung
            feld. Das war nicht nur eine ausgezeichnete         über Dinge, die man sehen, hören und anfas-
            Gelegenheit, die uns Schüler untereinander          sen konnte, ging das auch relativ einfach.
                                                 i
            Kontakt gewinnen ließ. Es war eine Scherung         “Zwei Engländer sprachen schon nach vier
            der Schüler vor geistigem Hochmut, der leider       Monaten so gut deutsch, dass sie am Unterricht
            heute so oft bei den geistig Geschulten             teilnehmen konnten.” (Willi Warnke)
            anzutreffen ist.

                                                                Die Größe dieser Schülergruppen war unter-
                                                                schiedlich und richtete sich danach, wie viel
                                                                erwachsene Schüler insgesamt in der Schule
                                                                waren (mehr als dreißig sind es niemals ge-
                                                                                     wesen).   Zu   manchen
                                                                                     Zeiten gab es Gruppen
                                                                                     mit  nur  vier Schülern,
                                                                                     manchmal     auch   we-
                                                                                     sentlich größere mit zwölf,
                                                                                     “mehr    aber     nicht”.
                                                                                     (Gustav Heckmann)


                                                                                     Die Regel war, dass  die
                                                                                     Schüler  während    ihrer
                                                                                     Schulzeit diese Gruppen
                                                                                     nicht wechselten, doch
                                                                                     kam es trotzdem sehr
                                                                                     häufig zu Neubildungen
                                                                                     oder Umstellungen in den
                                                                                     Gruppen,   da  die  we-
                                                                                     nigsten Schüler wie vor-
                                                                                     gesehen drei Jahre auf
                                                                                     der Walkemühle blieben.
                                                                                     (Hedwig Urbann)

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