Page 73 - Rudolf Giesselmann - Landerziehungsheim Walkemühle
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Schule der Kinder kochten sie dann auch nicht mehr. Am Anfang
wohl noch etwas Gemüse, das kauften sie
Eine Schülerin aus der Erwachsenenabteilung: vom Gärtner, aber dann lebten sie haupt-
sächlich von Brot und Obst, denn es war
“Einmal war das Thema des Unterrichts die Sommer, und das Geld reichte auch nicht
Französische Revolution. Was Gleichheit und mehr richtig.
Brüderlichkeit war, das konnten die Kinder sich
noch vorstellen, was das aber mit der Freiheit Dann entschlossen sie sich, eine Wanderung
ist, das wussten sie nicht. Sie wurden ge- mit Zelten zu machen. Sie wollten auch dafür
fragt: ,Habt ihr Freiheit?’ Da ist ihnen einge- Freiheit haben. Da ging dann eine Lehrerin und
fallen: Einmal müssen sie in den Unterricht, ein junger Mann mit, die hatten aber ein Zelt für
morgens müssen sie sich waschen, und zum sich und zelteten etwas entfernt von den
Essen müssen sie pünktlich kommen, aber un- Kindern; die waren ja erst sieben bis zwölf Jahre
ter ,Freiheit’ in der Parole der Französischen alt, und es war ja doch etwas gefährlich. Doch
Revolution konnten sie sich immer noch nichts den Kindern wurde nicht gesagt, was sie zu tun
Rechtes vorstellen, was dann die Leute ma- oder zu lassen hatten. Sie sollten daraus ja
chen, wenn sie Freiheit haben. lernen, was Freiheit ist, ob es etwas Schönes ist,
etwas Begehrenswertes.
,Wollen wir uns mal überlegen, wie wir es Nach vierzehn Tagen wünschten die Kinder
machen können, dass wir wissen, was Freiheit dann, wieder Unterricht zu haben, und sagten:
ist ?’ Und dann haben sie gefordert: Ja, nun wüssten sie, was Freiheit wäre, und
wenn sie mal wieder richtige Freiheit hätten,
,Wir wollen das Geld haben, das für uns an- dann wüssten sie besser, was sie damit an-
gesetzt ist, für vierzehn Tage.’ Dann wollten sie fangen könnten, was ihnen auch mehr Freude
noch die Freiheit haben, ihre Zimmer sauber- macht.
zumachen oder nicht, sich zu waschen oder
nicht usw. ... Das wurde
alles genehmigt, doch
sollten sie jetzt auch
selber kochen. Das
haben sie auch getan.
In einem alten Ziegen-
stall stand ein alter Herd,
da konnten sie jederzeit
kochen und schwirrten
so nicht immer in der
Küche herum.
Der eine wollte es nun
besonders schlau ma-
chen, der ging zu einem
Kaufmann und sag-
te: ,Sagen Sie mal, wie
mache ich das am bes-
ten, dass ich schnell mit
der Kocherei fertig wer-
de?’ Da verkaufte er
er ihm dann Brühwürfel. Nur war das Unan-
genehme, dass sie schließlich feststellen So lernten sie die Freiheit kennen. Das machte
mussten, dass in den Brühwürfeln Fleisch drin mir damals sehr viel Freude, als ich das etwas
war. Nun mussten sie sich entscheiden, ob sie später hörte.” (Grete Mayr-Eichenberg)
weiterhin vegetarisch leben wollten, kein
Erwachsener sagte was dazu. Sie entschieden
sich dann, weiter vegetarisch zu leben, die
Suppe fiel nun also aus. Na ja, allzu viel
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